„Und was machst du so?“ – im Job-Talk mit Marketing- und Kommunikationsberaterin Allegra Zerz
„Man trifft sich immer zwei Mal im Leben!“
Das ist nicht nur einer der Karriere-Tipps, der Frau, die ich heute in meinem kleinen Job-Talk vorstellen möchte, sondern auch die perfekte Einleitung, um sie vorzustellen. Denn: Allegra und ich waren beide gleichzeitig bei Burda als Redakteurinnen tätig – sie bei InStyle, ich bei Elle. Und auch, wenn wir uns damals nur sporadisch in der Kantine oder der Kaffee-Bar über den Weg gelaufen sind, kannte man sich irgendwie. Jetzt, Jahre später, sind wir beide selbstständig und unsere Wege kreuzen sich wieder. Genau wie ich hat auch Allegra der Print-Magazinwelt den Rücken gekehrt und sich aufs Digitale spezialisiert. Erst als Marketingspezialistin für den Luxus-Shop LuisaViaRoma und jetzt sogar mit ihrer eigenen Marketing- und Kommunikations-Agentur.
Wie das alles kam und wieso man auch in der Luxus-Fashion-Welt mit Bodenständigkeit immer noch am weitesten kommt, verrät euch Allegra am besten selbst…
Wie genau lautet deine Jobbezeichnung bzw. dein Titel?
Ich bin Markenstrategin, Marketing- und Kommunikations-Beraterin und Agenturgründerin.
Und wie bist du geworden was du jetzt bist?
Ich habe Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in Kombination mit Business & Economics an der Universität Zürich studiert. Während meines Bachelorstudiums habe ich in den Sommerferien bei der Shopping-Bibel InStyle diverse Praktika absolviert und wurde nach meinem Studium direkt als Volontärin an der Burda Journalistenschule übernommen. Als Redakteurin habe ich mich dann dazu entschlossen, noch einmal studieren zu gehen – und bin für den Master in Luxury Business an der Polimoda nach Florenz gezogen. Direkt nach dem Abschluss wurde ich bei LuisaViaRoma, E-commerce für Luxus-Mode, als Marketing Specialist für den deutschsprachigen Raum, sowie für Influencer Relations eingestellt.
Anfang 2020 habe ich mich mit meiner eigenen Marketing- & Kommunikations-Agentur für Luxusmarken und aufstrebende Brands selbstständig gemacht. Ab diesem Jahr funktionieren wir auch als Beratungsagentur für Digital Entrepreneurs, Content Creators und kreative Talente.
Wusstest du immer schon, dass du das beruflich machen möchtest?
Ich bin ein Kind der 90er! Aufgewachsen mit stapelweise Modemagazinen, Supermodels, Kate Moss, Der Teufel trägt Prada, Sex and the City….
Mein Lieblings-Charakter bei Friends war natürlich Rachel, die für Ralph Lauren arbeitete – und so weiter, und so weiter… Kurz gesagt: Seit ich mich erinnern kann, war Mode irgendwie präsent in meinem Leben und schon in sehr jungen Jahren fand ich die Branche faszinierend. Allerdings musste ich meinen Platz erst finden. Später lernte ich, dass ich nicht nur ein großes Interesse, sondern auch ein Händchen für Kommunikation und Marketing habe und dass sich das mit Mode gut kombinieren lässt. Allerdings musste ich auch feststellen, und das erst später, also nach einigen Jahren im Fashion Biz, dass die Industrie mir persönlich (auch bzw. gerade im high-end Segment) oft zu schnelllebig und zu wenig nachhaltig ist, was nicht wirklich meinen Werten entspricht.
Mittlerweile finde ich mehr Gefallen an Brands mit einer starken Werten und einer authentischen Mission, sowie an anderen Luxus-Bereichen, vor allem Fine Jewelry, aber auch Kunst und Design, Beauty, Vintage & Antiquitäten, Wein, Reisen…
Und wie können wir uns deinen Arbeitstag vorstellen?
Normalerweise bin ich viel unterwegs und jede Woche ist anders. Ich reise viel für diverse Projekte. Mal bin ich in Fotostudios oder outdoor für Kampagnenshootings, auf Influencer-Trips oder Fashion Weeks. Im Moment ist aber alles etwas anders und ich bin eigentlich immer in meinem Büro, 24/7 connected, alles digital.
Tatsächlich ist (digitales) Marketing und Kommunikation gerade jetzt wichtiger denn je. Ich kreiere individuelle, markenspezifische Strategien und Pläne für meine Klienten, die überall in der Welt verstreut sind. Von Italien über Schweden bis nach Amerika – und bin fast täglich mit ihnen im Austausch. Dann geht es an die Umsetzung der Strategien und Pläne. Dazu gehören Aufgaben wie u.a. die Kreation von Content, die Kreation von Konzepten, Organisation und Budgeting für Kampagnen und Marketingaktivitäten, Social Media Postings & Pflege der Kanäle, Copywriting, E-Mail-Marketing, Produktplatzierungen, Influencer Relations und Public Relations, neue Kollaborationen mit Künstlern, Influencern, anderen Brands etc.. Das Monitoring, also die Performance-Analyse der Kampagnen, Aktivitäten und der täglichen Kommunikation ist natürlich auch ein wichtiger Teil meines Arbeitsalltags.
Was sind die größten Herausforderungen in deinem Job?
Geduld. Und sich nicht vom Stress, der Unsicherheit oder Unzufriedenheit anderer anstecken lassen. Jeder möchte das nächste große Ding werden, Millionen verdienen und zwar so schnell wie möglich und am besten mit so wenig Aufwand und mit so wenig Geld wie möglich…
Wie hältst du es mit Performancedruck oder Selbstzweifeln?
Oh, all the feels! Ich bin sowohl mein eigener größter Kritiker, als auch mein eigener ewiger und unermüdlicher Supporter!
Aber tatsächlich: Zwischen Perfektionsdrang und Laissez-faire-Attitüde, zwischen Anxiety und dem Optimismus sowie dem Selbstvertrauen, dass ich alles schaffen kann, bin ich ganz gut ausbalanciert. Was ich sehr hilfreich finde, ist der ständige Austausch und Reflexion mit anderen selbstständigen Freunden oder einem Mentor. Wir sitzen ja irgendwie alle im gleichen Boot *same same but different* und können uns gegenseitig mit Tipps unterstützen, Erfahrungen teilen und voneinander lernen. Gleichzeitig finde ich es aber auch wichtig, sich selbst nicht ständig mit anderen zu vergleichen und sein eigenes Ding durchzuziehen. Manchmal hilft es auch, mal für einen Tag oder im Urlaub offline zu gehen.
Außerdem bin ich eine Vertreterin des Mottos „Machen, statt Jammern“. Bedeutet: Ich spring lieber ins kalte Wasser und versuche mich irgendwie über Wasser zu halten, anstatt Unzufriedenheit zu akzeptieren oder Frust in Kauf zu nehmen. Und ich muss sagen: Immer wenn ich in der Vergangenheit solche Entscheidungen getroffen habe, auch wenn sie vielleicht kontrovers oder unkonventionell schienen, konnte und kann ich gut und ohne Selbstzweifel damit leben.
Was würdest du jungen Mädchen raten, die diesen beruflichen Weg einschlagen möchten?
Oh, da habe tatsächlich so einige Ratschläge: 1. Auf dem Boden bleiben und Freundschaften auch außerhalb der Branche pflegen. 2. Sich nicht auf ein Thema versteifen und sich auch Wissen außerhalb der Branche, – z.B. Politik, Wissenschaft, Literatur, Sport etc. aneignen und offen und vielseitig bleiben. 3. Man trifft sich immer zweimal im Leben – IMMER.
UND, und das finde ich wirklich sehr wichtig: Dem Bauchgefühl vertrauen und seine Werte und einen Selbstwert kennen und dafür einstehen. Dazu gehört auch, mal „Nein“ zusagen.
Welche 3 Eigenschaften sind deiner Meinung nach unerlässlich für deinen Job?
Strategisches Denken, Flexibilität und die Fähigkeit sich von Ideen, Erwartungen und manchmal auch Kunden zu lösen. Und: Bodenständigkeit!
Der beste Karrieretipp, den du je erhalten hast?
Nur, weil du im Luxus-Bereich arbeitest, bedeutet es nicht, dass du selbst ein Luxus-Leben führst!
Was wärst du wohl geworden, wenn du nicht diesen Weg eingeschlagen hättest?
In einem anderen Leben hätte ich vielleicht Chemie studiert und eine Beauty-Marke mit Fokus auf Gesichts- und Hautpflege gegründet. Ich versuche tatsächlich immer noch, eine gute, gute Freundin davon zu überzeugen, genau das zu machen! Und zumindest könnte ich sie dann im Markenaufbau und Marketing unterstützen.
Was sind deine Pläne/Wünsche für die Zukunft?
Wir befinden uns in einer Situation mit übersättigten Märkten. Es ist geradezu unmöglich, das Rad neu zu erfinden oder hervorzustechen. Die meisten Start-ups scheitern, nicht weil deren Idee nicht gut genug ist, sondern weil es einfach so viele davon gibt. Die Konkurrenz ist tough und auch für digitales Marketing, das immer noch oft mit einem „Alles-Gratis“-Stempel zu kämpfen hat, erfordert mittlerweile ein sattes Budget. Aber die Übersättigung betrifft nicht nur Marken: Laut der HBO-Doku von Nick Bilton „Fake Famous“ gibt es mehrere Millionen Menschen mit einer Million Follower – sind die alle berühmt? Einflussreich?
Mit der Pandemie hat sich alles etwas verlangsamt, was einerseits für viele wirtschaftlich tragisch ist, andererseits sehe ich es auch als Chance, das System zu verändern und für neue Gelegenheiten – und das auf allen Seiten: Von der Produktion, über Marketing, bis zum Konsum. Als Markenberater versuche ich nur mit Marken mit nachhaltigen Werten und einer authentischen Mission zu arbeiten. Für mich ist es wichtig, dass sie eine Emotion und vielleicht sogar einen Traum verkörpern. Und ich versuche auch nachhaltig mit Talenten zusammenzuarbeiten, anstatt puren Konsum zu propagieren. Als Konsument selbst versuche ich Fast-Fashion zu boykottieren und stattdessen bei kleinen, authentischen Unternehmen zu kaufen und diese so zu unterstützen. Ich versuche, dieses Mindset in meinem Umfeld zu fördern und so weiter…
Ich habe das Gefühl, dass zu Beginn der Pandemie genau diese Veränderungen und neuen Möglichkeiten in der Produktion sowie im Konsumverhalten heiß diskutiert wurden und eine neue Ära ausgerufen wurde, aber mittlerweile beobachte ich leider viele Marken und Verbraucher, die zu ihren alten Gewohnheiten vor der Pandemie zurückkehren.
Ich hoffe also sehr, dass Menschen und Marken an ihren guten Vorsätzen festhalten, auch wenn das bedeutet, die Komfortzone zu verlassen.
Interessanter Artikel. Danke dafür! 🙂 Grüße ebenfalls aus MUC
Freut mich, dass dir das Interview gefallen hat 🙂
Liebst, Karo